Der Fokus auf notwendige Weichenstellungen fehlt! Trotzdem stimmen Grüne dem Haushalt zu.

Barbara Köß, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90 / Die Grünen

Nach intensiven Beratungen zum Haushalt 2023 der Stadt Oelde, hat die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen die Situation abschließend bewertet. In Bezug auf die nicht vorhandene Struktur und Priorisierung, den Klimaschutz in Oelde mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit anzugehen, ist der Haushaltsplan 2023 aus Grüner Sicht eine Enttäuschung. Dennoch hat sich die grüne Fraktion dazu entschlossen dem Haushalt 2023 zuzustimmen, da neben dem neuen Klimaschutzkonzept, auch viele positive Bausteine, insbesondere den Radverkehr betreffend, positiv hervorstechen. Die Details zur Einschätzung des Haushalts sind hier im Original der Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Barbara Köß nachzulesen:

Haushaltsrede zum Finanzjahr 2023, Bündnis 90 / Die Grünen 

Oelde, 19.12.2022

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, 
Sehr geehrte Damen und Herren, 

Und wieder neigt sich ein weiteres Krisenjahr dem Ende. Dieses Mal sind es zahlreiche parallel verlaufende Krisen, die derzeit alle politisch Handelnden vor gewaltige Herausforderungen stellen.
Der Ukraine-Krieg mit Leid und Elend für die Menschen, Millionen Geflüchteter – nicht nur aus der Ukraine, dramatische Entwicklungen auf dem Energiesektor, eine galoppierende Inflation, die Folgen der Pandemie und die akute Bedrohung unseres Lebensraumes durch die Klima- und Biodiversitätskrise.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, Sie haben es in Ihrer Haushaltsrede „ökologische Verunsicherung“ genannt, wir finden hier eher den Begriff „Klimakrise“ zutreffend und allein diese Klimakrise an sich wirkt sich mittlerweile unmittelbar auf unser Lebensumfeld aus.

Etwas untergegangen in der Dramatik des Jahres 2022 ist der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates, in welchem dieser die Entwicklung des Planeten zum wiederholten Male mit bedrohlichen Daten und Fakten belegt.

UN-Generalsekretär Guterres sagte auf der COP27 vergangenen Monat in Sharm El Sheik zuspitzend: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, will heißen, dass wir auf eine 3-Grad-Welt zusteuern und immer noch nicht auf der Bremse stehen.
Auch wenn viele hoffen, dass dieser Kelch an uns vorübergeht: Er wird es nicht und wir können die Folgen des Klimawandels nur noch abmildern.
Das heißt dann folglich auch, wir müssen unser politisches Handeln vor Ort konsequent danach ausrichten.
Der effiziente Einsatz unserer finanziellen und personellen Ressourcen für das notwendige Handeln erfordert Priorisierung. Der Haushalt 2023 der Stadt Oelde ist das Instrument, diese Priorisierungen zu setzen und sichtbar zu machen.
Und genau an dieser Stelle sehen wir, dass es in Oelde kein konsequentes Commitment gibt, den Klimaschutz gesamtheitlich zu denken und einen verbindlichen Fahrplan mit verbindlichen Zielen in allen relevanten Sektoren zu verankern.

Im Gegenteil: Die alten Vorgehensweisen, die auf herkömmliches, nicht nachhaltiges Wachstum abzielen werden weiterhin verfestigt: Noch mehr Gewerbegebiete, weitere Wohnbaugebiete am Rande der Stadt und unnötiger Straßenbau.

Die Millionenbeträge als Vorratsposten für Flächenankäufe und auch die angestrebte Überdimensionierung der Kläranlage belegen diese Denkstrukturen und zeigen die aktuelle Prioritätensetzung: Weiter so! Eine Richtungsänderung ist nicht erkennbar.

Uns ist selbstverständlich nicht entgangen, dass es Anträge und Forderungen zum Klimaschutz aus allen Fraktionen gegeben hat, die wir ausdrücklich unterstützt haben.
Auch die nun endlich besetzte zweite Stelle im Klimaschutzmanagement ist sehr begrüßenswert, aber leider reicht das alles nicht, um der Dringlichkeit und dem Ausmaß der Klimakrise gerecht zu werden.
Die Klimaschutzmaßnahmen der Stadt Oelde finden sich im Haushaltsentwurf immerhin schon auf Seite 51 – jedoch in sehr komprimierter Form und der für Oelde eigentlich zwingend einzuhaltende Klimavorbehalt wird in unseren Augen stiefmütterlich behandelt.
Auch könnte man meinen, dass von Ihrer Begeisterung beim Besuch der Klimakommune Saerbeck, liebe Frau Rodeheger, nicht mehr ganz so viel übrig zu sein scheint oder warum mussten letzten Endes wir und nicht die Verwaltung wenigstens 100.000 € für die kurzfristige Umsetzung von konkreten Maßnahmen aus dem Konzept bereitstellen?
So viel zur Prioritätensetzung.

Ein Meilenstein zumindest der guten Absichten ist sicherlich die Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes. Hier hätten wir uns allerdings eine ambitionierte Variante gewünscht, welche sich zum Beispiel an der Stadt Soest orientiert, wo der Klimaschutz als Querschnittsaufgabe aktiv angegangen wird und alle relevanten Bereiche mit Zielvorgaben belegt und messbar sind.
Natürlich sehen Bündnis 90/ Die Grünen die vielen kleinen Projekte, die umgesetzt wurden oder sich in der Umsetzung befinden. Von ökologischen Komponenten in der Bauleitplanung über gestiegene Mittel zum Radwegekonzept, dem nun vorliegenden Klimaschutzkonzept und der finanziellen Unterstützung beim Kauf von Balkon-Solaranlagen, um nur einige Punkte zu nennen.
Auch der Wille der anderen Fraktionen, sich verstärkt für mehr Klimaschutz zu engagieren stimmt uns insgesamt etwas optimistischer.

Was uns immer wieder vor die Füße fällt, ist die angespannte Personalsituation der Verwaltung. Es kann jedoch nicht sein, dass sogar beschlossene Projekte zum Klimaschutz nicht umgesetzt werden könnten, weil kein Personal vorhanden ist. Der von der Bürgermeisterin gesetzte neue Stellenplan soll insgesamt eine Entlastung schaffen, aber bedingt dadurch, dass es keine transparente Prioritätensetzung gibt, welche die Dringlichkeit des Klimaschutzes berücksichtigt, sind unsere Hoffnungen auf Besserung gering.

Dass die Wohnungsbaupolitik uns sehr am Herzen liegt, haben wir auch an dieser Stelle immer wieder hervorgehoben.
Die interfraktionelle Zusammenarbeit hat hier zu neuen Maßgaben in Oelde geführt – das freut uns sehr. Die Stadt Oelde hat sich zu lange aus dem aktiven Wohnungsbau herausgehalten und diesen privaten Investoren überlassen. Bezahlbarer Wohnraum ist elementarer Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Der Verkauf unserer wertvollen Flächen an Investoren mit der Folge, dass die wenigen geförderten Wohnungen nach 20 Jahren aus der Sozialbindung herausfallen, fällt auch den nachfolgenden Generationen wieder vor die Füße.

Und wenn wir an die jungen Menschen von heute denken, sehen wir mit großer Sorge auf die exorbitante Schuldenentwicklung der Stadt.
Die Bürgermeisterin hat in ihrer Haushaltsrede (s. S. 15) davon gesprochen, dass es generationengerecht sei, sog. „notwendige“ Investitionen per Kredite zu finanzieren, da diese von allen, also auch den nachfolgenden Generationen, gleichermaßen bedient werden.
Aber könnte es nicht auch anders sein?? Was, wenn unsere jungen Leute einen hübschen Kreisverkehr, eine neue Straße, eine Multifunktion der Turnhalle oder riesige Logistikhallen, die fruchtbare Ackerböden versiegeln, gar nicht haben wollen?
Was ist, wenn nach 2025 die Dinge, die wir uns heute leisten, dann doch mindestens zu Steuererhöhungen führen werden?

Durch das kommunale Handeln, wie es im Haushalt ersichtlich geplant ist, engen wir den finanziellen, den räumlichen und damit den gestalterischen Spielraum der nachfolgenden Generationen massiv ein.

In diesem Sinne hat uns die eindeutige Absage der Verwaltung enttäuscht, uns für die Wiederauflage des „Beweg was“-Projektes keinerlei Personalressourcen an die Seite zu stellen. Wie möchte man junge Menschen für Politik und Demokratie begeistern, wenn man ihnen derart den Rücken kehrt? Die Einbindung junger Menschen in politische Meinungsbildungsprozesse und die Eröffnung von Beteiligungsmöglichkeiten sehen wir als wichtigen Baustein zur politischen Bildung, zur Stärkung von Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Deshalb freuen wir uns über den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen, das Projekt im nächsten Jahr gemeinsam weiterzuentwickeln.

Woran erkennt man nachhaltige Investitionen? Klimaschutz ist nicht per se teurer und unsozial! Trauen Sie sich, Ökonomie, Ökologie und Gesellschaftspolitik zusammen zu denken. Denken Sie Oelde neu:
Komfortable und sichere Fahrradmobilität als attraktive Alternative zum automobilen Individualverkehr, in Hitzesommern kühlende Grünflächen und Bäume statt noch mehr Parkplätze im Innenstadtbereich, klimaschonender Wohnungs- und Gewerbebau, stark reduzierter Flächenverbrauch, und eine Energieproduktion, an der alle Anteile haben, sind genau die Wege, welche die Wertschöpfung in Oelde halten, den Geldbeutel unserer BürgerInnen schonen, Oelde lebenswert und gesund machen und allen zugutekommen.

Wenn dieses Szenario gewünscht ist, dann müssen die finanziellen Mittel auch in diese Richtung gelenkt werden.

Nach intensiven Diskussionen und Beratungen haben wir uns dazu entschlossen, der Verwaltung und Ihnen, Frau Rodeheger, weiterhin das Angebot konstruktiver Beratungen und Entscheidungen für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu machen.
In diesem Sinne ist unsere heutige Zustimmung zum Haushalt als Vertrauensvorschuss zu werten. 2023 werden wir in gewohnt kritischer Art und Weise die politischen Prozesse, gerne zusammen mit den anderen Fraktionen, begleiten – mit dem Ziel, dass insbesondere der dringend zu verstärkende Klimaschutz den Stellenwert bekommt, den die brisante Situation erfordert.