Das „System Tönnies“ und der lange Arm in die Politik

Tönnies Stammwerk

Lockdown in den Kreisen Warendorf und Gütersloh mit gravierenden Folgen für alle hier lebenden Menschen. Die lokale Corona Krise, ausgelöst durch Tönnies, hat jetzt in aller Deutlichkeit – quasi als Zufallsprodukt – die Machenschaften des Systems Tönnies und deren Verquickung mit der Politik nochmals einer breiten Öffentlichkeit offengelegt.

Wir alle hier im Münsterland und Ostwestfalen leiden nun unter Stigmatisierung, konkreten Einschränkungen im Alltag und einem hohen wirtschaftlichen Schaden für die gesamte Region. Das sind die konkreten Auswirkungen des Corona Ausbruchs im Hause Tönnies. In besonderem Maße betroffen: Die Mitarbeiter des Fleischkonzerns. Corona kann nun mal schwerste Krankheiten bis zum Tod zur Folge haben.

Was allerdings nicht erst seit dem aktuellen Corona Ausbruch feststeht: Die Fleischverarbeitende Industrie mit Marktführer Tönnies hat ein lange Jahre politisch geduldetes System geschafften, welches Mensch, Tier und Natur gleichermaßen schadet. Im ausschließlichen Interesse der Gewinnmaximierung.

Die industrielle Landwirtschaft, welche aus Bauernhöfen mit Kreislaufwirtschaft eine perfekt optimierte Industrie zur Tierproduktion- und Verwertung machte. Mit gravierenden Schäden für unsere Umwelt: Überdüngte Böden, mit Nitrat belastetes Grundwasser und die Abholzung riesiger Flächen an Regenwald zum Anbau von Soja als Kraftfutter sind nur einige Punkte. Zudem ist an Tierwohl wohl eher nicht zu denken, wenn täglich alleine in Deutschland 100.000 Schweine zur Schlachtbank geführt werden. 30000 davon alleine bei Tönnies. Aufgrund des Preisverfalls beim Fleisch und der ständigen Verfügbarkeit sterben rund 11000 Schweine jeden Tag um als Abfall in unserem Müll zu landen. Das ist das Resultat des Überflusses. Die Tierschutzaspekte alleine sind ein Grund, das System Massentierhaltung zu beenden – Stichwort Kastration ohne Betäubung.

Ganz besonders allerdings leiden die Menschen, die im System der Fleischbranche mit sogenannten Werkverträgen beschäftigt sind. Knallharte Arbeitsbedingungen, miserable Bezahlung und nicht vertretbare Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Die genauen Umstände dieser Ausbeutung sind seit langem bekannt. Die Grünen prangern die Missstände seit vielen Jahren an. Aber warum ist nichts passiert?

Ein wesentlicher Punkt ist die enge Verstrickung der Fleischwirtschaft zur Politik. Am Beispiel Tönnies wird dieses in besonderem Maße deutlich. Tönnies ist mit rund 30% Marktanteil zugleich Marktführer in der Fleischbranche. Aber gelten deshalb andere Regeln hinsichtlich Einhaltung gesetzlicher Vorgaben? Anscheinend ja. Wie ist sonst zu erklären, dass Tönnies mit Zustimmung der CDU Landesregierung und dem Kreis Gütersloh unter CDU Landrat Adenauer in Krisenzeiten als Unternehmen mit kritischer Infrastruktur mit Versorgungsauftrag eingestuft wird? Dieses gilt normalerweise nur für die Strom-und Wasserversorgung, Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser. Aber Tönnies? Wohl kaum. So wurden beispielsweise die im Hygienekonzept vorgesehen Abstände zwischen einzelnen Mitarbeitern von 1,50 m für Tönnies außer Kraft gesetzt. Eine fatale Entscheidung wie wir heute wissen.

Aber viel krasser sind die Missstände rund um das Thema Werkverträge zu sehen. Eine gute Lobbyarbeit seitens Tönnies hat die Stabilität und Ausweitung der gewinnbringenden Werkverträge gefördert. Ein Schelm wer Böses denkt in Anbetracht der ausschließlich an die CDU gezahlten 146759 € Parteispenden (Register Rechenschaftsbericht Lobbycontrol). Werkverträge boten Tönnies in der Vergangenheit immer wieder den Vorwand sich aus der Verantwortung bei Missständen innerhalb der Belegschaft zu ziehen. Ob finanzielle Ausbeutung, oder Unterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen. Kein Handlungsbedarf für das Unternehmen Tönnies: Die Subunternehmer seien verantwortlich. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen geht ausschließlich mit der sofortigen Aussetzung von Werkverträgen. Eine uralte Forderung von Bündnis 90 / Die Grünen.

Und nun wird es nochmals spannend: Auch wir in Oelde sind Teil des Spielballs des Systems Tönnies. Warum: Wie dem Handelsblatt vom 19.6.2020 zu entnehmen war, berichtet Robert Tönnies wie hart Geschäftsführung und Beirat sich seit Jahren der Abschaffung von Werkverträgen entgegengestellt hat. Beiratsmitglied ist unter anderem der Oelder Manager Reinhold Festge. Robert Tönnies geht so weit zu sagen, dass der Corona Ausbruch ein Ergebnis ebendieser Blockadehaltung u.a. des Beirats sei, da viele Arbeitnehmer*innen in unzumutbare Wohnverhältnisse mit hohem Ansteckungsrisiko gezwungen wurden.

Für Oelde heißt das, dass Tönnies Beiratsmitglied Festge auch seinen Einfluss auf die lokale Oelder CDU hat. Sein Rat ist dort seit vielen Jahren geschätzt. Wogegen im Grunde erst mal nichts einzuwenden ist. Unter dem Aspekt allerdings, dass die Erweiterung des Aurea Gewerbegebietes um 50 Hektar Fläche ansteht, fragen wir uns: War hier wieder eine erfolgreiche Lobbyarbeit am Start? Die Erweiterung der riesigen Fläche mit all seinen schweren Eingriffen in die Natur dient der Erwartungshaltung des Hauses Tönnies dort zu expandieren. Für die Oelder CDU bereits eine klare Sache, dass es ohne Aurea Erweiterung nicht geht. Wir fordern von der Oelder CDU: Bitte hinterfragt das ganze nochmals kritisch und lasst euch hier nicht vor den Karren spannen. Bündnis 90 / Die Grünen haben sich hier klar positioniert: Für uns kommt eine derartige Erweiterung zum Wohle des Imperiums Tönnies und zu Lasten der Natur und Oelder Bürger*innen nicht in Frage.

Bleibt zu hoffen, dass in Folge der Corona Krise mehr und mehr Transparenz in die enge Verflechtung zwischen Tönnies und CDU Politik kommt. Transparenz, die von Bündnis 90/ Die Grünen seit jeher auch beim Konstrukt der Aurea GmbH eingefordert wird. Da gibt es noch großen Nachholbedarf!