Richtung erkannt, aber dann leider falsch abgebogen! Grüne lehnen Haushalt ab

Haushaltsrede 2022

Die Haushaltsberatungen sind abgeschlossen und die Ergebnisse und Auswertungen der vorausgehenden Beratungen liegen nunmehr vor. Das Fazit aus grüner Sicht: Bündnis 90/ Die Grünen lehnen den Haushalt 2022 ab, da das übergeordnete Ziel, unsere Kommune bis 2035 Klimaneutral zu machen mit den dort gelisteten Maßnahmen nicht in Einklang zu bringen ist. Die Grünen haben versucht dem Haushalt einen Klimapolitischen Kompass zu geben, sind aber mit den wegweisenden Anträgen gescheitert, die eine signifikante Hebelwirkung hätten erzielen können. Aus Sicht von Bündnis 90/ Die Grünen verlieren wir wieder wertvolle Zeit für wirksamen Klimaschutz.
Die Details der Ablehnung und zur Einschätzung des Haushalts sind hier im Original der Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Barbara Köß nachzulesen:

Es gilt das gesprochene Wort. 
 

Haushaltsrede 2022 Bündnis90 / Die Grünen

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

Sehr geehrte Damen und Herren,

das zweite Corona Jahr liegt hinter uns. Die Entwicklung von Impfstoffen und die darauffolgende Impfkampagne brachten Anfang des Jahres Licht an das Ende des Tunnels, die Wirtschaft hat sich größtenteils erholt und die negativen Auswirkungen eines weiteren Lockdowns sind uns weitgehend erspart geblieben. Unser Dank gilt den vielen Menschen in pflegenden, betreuenden und helfenden Tätigkeiten für Ihre Arbeit, aber auch dem gesamten Team der Stadtverwaltung für die gute und professionelle Begleitung in dieser außergewöhnlichen Zeit. Doch: Wir sind noch nicht durch.

Die Basis für unseren Umgang mit der Pandemie ist die mehrheitliche Akzeptanz wissenschaftlicher Fakten und hier möchte ich einen Brückenschlag zur aktuellen politischen Lage machen, denn genau diese Akzeptanz als Basis unseres Handelns ist auch bei der weitaus bedrohlicheren Klimakrise gefordert. Die Daten und Klimamodelle des Weltklimarates sowie die vielen globalen desaströsen Unwetterkatastrophen zeigen, dass wir gerade unseren Planeten sehenden Auges in Richtung Unbewohnbarkeit steuern, wenn wir nicht kraftvoll und schnell entgegenwirken.

Wir haben an dieser Stelle immer wieder gemahnt, unseren Beitrag vor Ort zu leisten. Und gerade auch ein Haushaltsplan gibt Aufschluss darüber, welchen Stellenwert der Klimaschutz in unserer Stadt hat. Daran müssen wir uns messen lassen.

B90 / Die Grünen haben natürlich positiv zur Kenntnis genommen, dass durch das private Engagement bei Großprojekten im Bereich Flächen-PV, der Windkraft und der Wärmeversorgung des Weitkamps Bausteine zur Oelder Klimaneutralität bis 2035 realisiert werden könnten. Die Unterstützung der Verwaltung an dieser Stelle möchte ich hier dankend hervorheben. Danach wird die Luft allerdings dünn, wie der Blick in den Haushaltsplan zeigt.

Für uns lässt sich der bisher gefahrene klimapolitische Kurs in Oelde gut beschreiben mit der Überschrift:

Richtung erkannt, aber dann leider falsch abgebogen!

Mit einem Gesamtvolumen von 95 Mio. € strotzt der Haushaltsplan vor finanzieller Kraft. Ein Schub für Klimaschutz, könnte man meinen – zumal mit 45 Mio. € für Investitionen eine noch nie dagewesene Summe gelistet ist. Doch konkrete Investitionsansätze für den Klimaschutz belaufen sich hingegen auf weniger als eine halbe Million €. Dafür sollen Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, Verkehrs- und Energiewende gemanagt werden. Dieses Missverhältnis passt nicht und macht sehr deutlich, dass die Klimakrise in Oelde noch immer nicht in ihrer Gänze angepackt werden soll!

Mit dem Ziel, dem Haushaltsplan einen klimapolitisch glaubwürdigen Anstrich zu geben, hat die Fraktion B90 / Die Grünen in den Beratungen einige wenige Anträge gestellt, mit Abstimmungsergebnissen, die eine klare Linie zeigen:

Zustimmung dort, wo finanzielle oder personelle Ressourcen gering bleiben würden, Ablehnung dort, wo es aufwändiger wird.

Das möchte ich gerne an folgenden Beispielen verdeutlichen:

  • Gebäudesanierung ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. 30% der CO2 Emissionen in Deutschland gehen auf den Gebäudesektor zurück. Die energetischen Schwachstellen unserer öffentlichen Gebäude sollten extern eruiert werden, um gezielt diese Sanierungen angehen zu können. Zustimmung leider nur von der SPD.
  • Zur konkreten Umsetzung des fortgeschriebenen Klimaschutzkonzeptes- was ja frühestens im Mai fertig sein wird- hatten wir 200.000 € beantragt, um Mittel für kurzfristig mögliche Maßnahmen zur Verfügung zu haben. Zur Erinnerung: Der Ratsbeschluss zur Klimaneutralität unserer Kommune bis 2035 ist aktuelle Beschlusslage. Wir verlieren wieder einmal wertvolle Zeit. Zustimmung nur von der SPD.
  • Die Verkehrswende mit all ihren notwendigen Facetten muss dringend beschleunigt werden. Das vorhandene Mobilitätsteilkonzept Radverkehr bietet eine glasklare Handlungsvorgabe für die Umsetzung. Dazu beantragten wir folgerichtig die „kurzfristigen Maßnahmen“ im Radverkehrskonzept von 100.000 € auf 345.000 € zu erhöhen. Aber selbst der Kompromiss, ihn nur auf 200.000 € zu erhöhen, damit die Verwaltung das schaffen kann, wurde nicht angenommen. Hier freuen wir uns über die Zustimmung der FDP, die sich ansonsten leider bei sämtlichen Klimaschutzinvestitionen vom Acker gemacht hat.
  • Auch die Reduzierung von Flächenverbrauch ist ein zentraler Baustein des Klimaschutzes. Daher sind wir doch sehr verwundert über die breite Ablehnung der Streichung von Mitteln für den Ankauf weiterer Bau- und Gewerbegebiete. Von insgesamt 7 Mio. € haben wir eine Reduktion um 3 Millionen € beantragt, was eine notwendige Größenordnung gewesen wäre. Die immer noch gängige Praxis dieser Bervorratung eines endlichen Gutes, nämlich der freien, i.d.R. landwirtschaftlich genutzten Fläche, ist generationenungerecht und nicht zukunftsfähig. Ablehnung vom gesamten Rat.

Dagegen stehen die – aus unserer Sicht eher kleinen – Maßnahmen, welche im Rahmen der Haushaltsberatungen Zustimmung fanden:

  • Die zusätzliche Stelle und ihre Aufstockung im Klimaschutzmanagement auf 40 Stunden kommt endlich. Die empfohlene Einrichtung einer Stabsstelle wird zumindest seitens der CDU „wohlwollend“ eingestuft.
  • Der Einstieg in die Entwicklung eines innovativen ÖPNV Konzeptes fand die Zustimmung aller.
  • Auch die Erhöhung der Mittel zum Zubau von PV Flächen auf öffentlichen Gebäuden um 40.000 € ist ein leicht zufriedenstellender Aspekt.
  • Die Förderprogramme der CDU und FWG für Balkon-Solaranlagen und Lastenräder unterstützen wir natürlich gern.

Damit sind die klimapolitischen Aspekte des Haushaltsplans 2022 auch schon aufgezählt. Wir haben versucht, die notwendigen Akzente zu setzen und auf´s Tempo zu drücken. Klimaneutralität bis 2035 heißt, die dicken Bretter müssen innerhalb der nächsten 13 Jahre gebohrt worden sein. Der Klimawandel und die Klimafolgen sind leider nicht verhandelbar. Sie werden kommen und sie werden auch für Oelde sehr teuer.

Die Fahrtrichtung ist durch die Beschlusslage zur Klimaneutralität vorgegeben.

Wir hätten uns auch für das Haushaltsjahr 2022 gewünscht, dass wir mit dem Plan mehr auf diesem Weg geblieben wären.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir dem Haushaltsplan natürlich auch viel positive Ansätze im Geschäftsbetrieb der Verwaltung entnehmen, die wir ja auch in den Fachausschüssen mitgetragen haben – speziell in den Bereichen Soziales, Schulen und auch der Jugendhilfe. Angesichts der zur Verfügung stehenden knappen Zeit kann ich auf diese jedoch nicht dezidiert eingehen, bedanke mich aber ausdrücklich bei den Damen und Herren der Verwaltung für ihre Arbeit im vergangenen Jahr.

Lassen Sie mich zu guter Letzt noch auf eine strukturelle Problematik dieses Haushaltsplans eingehen: Unsere Fraktion hat sich akribisch mit den Details des Haushalts beschäftigt und das Fazit ist ziemlich ernüchternd: Als Steuerungsinstrument ist er nur bedingt brauchbar, da niemand mit Gewissheit sagen kann, welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden und welche nicht. Vor dem Hintergrund der gegebenen Begründung, dass die Personalsituation aber auch Enpässe z.B. in der Bauwirtschaft für Unsicherheit sorgen, wäre unseres Erachtens „weniger“ „mehr“ gewesen.

Wir wünschen uns in der Zukunft einen Haushalt, der auf Basis vorhandener Ressourcen und Prioritäten aufgestellt und damit realistischer und transparenter wird.

Unsere Prioritäten bei den Inhalten und der Bewertung des Haushaltsplans sind hingegen klar: Die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen sieht insgesamt zu wenige Ansätze für einen wirksamen Klimaschutz. Die Kenntnis der Faktenlage und der immer kürzere zur Verfügung stehende Zeitraum, effektive Maßnahmen umzusetzen, findet im vorliegenden Haushaltsentwurf unzureichende Berücksichtigung.

Aus diesem Grund lehnen Bündnis 90/Die Grünen den Haushalt 2022 ab.