Klimaschutz verdrängt… Bündnis90 / Die Grünen lehnen Haushalt 2024 ab

Nach intensiven Beratungen zum Haushalt 2024 der Stadt Oelde, hat die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen die Situation abschließend bewertet. In Bezug auf die nicht vorhandene Struktur und Priorisierung, den Klimaschutz in Oelde mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit anzugehen, ist der Haushaltsplan 2024 aus Grüner Sicht abzulehnen. Es ist nicht erkennbar, dass die politischen Leitlinien für Oelde eine wegweisende Änderung der Politik des „business as usual“ aufzeigen. In den Bereichen Wohnen und Verkehr sind die Anstrengungen zum Klimaschutz eklatant gering. Die Details zur Einschätzung des Haushalts sind hier im Original der Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Barbara Köß nachzulesen:

Oelde, 18.12.2023

Haushaltsrede zum Finanzjahr 2024, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Der Fokus auf notwendige Weichenstellungen fehlt wieder einmal!

Seit 2020 befinden wir uns im Krisenmodus: Nach der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit der direkt wirkenden Energiekrise, nun auch noch der folgenschwere Nahost Konflikt. All das hatte und hat direkte Auswirkungen auf uns alle. Die sich abschwächende Konjunktur und der Preisanstieg im alltäglichen Leben stellen mittlerweile viele Bürgerinnen und Bürger vor große Herausforderungen.

Was die immer gefährlicher werdende Klimakrise anbelangt, ist die Faktenlage auf der gerade beendeten Klimakonferenz in Dubai wieder einmal von allen führenden Klimawissenschaftlern auf den Punkt gebracht worden: Wir müssen nicht nur dringend raus aus der fossilen Welt, um eine Erwärmung auf unter 3°C überhaupt noch zu ermöglichen, sondern wir müssen genauso dringend endlich einmal zu einem realen Schutz von freien Flächen und Natur übergehen, deren Verschwinden eine massive Biodiversitätskrise und damit den Entzug unserer natürlichen Lebensgrundlagen zur Folge hat.

Gleichwohl viele Menschen heute den allabendlichen Bildern dieser zeitgleich verlaufenden Katastrophen kaum noch die notwendige Aufmerksamkeit schenken, dürfen wir als politisch Handelnde vor Ort jedoch nicht den Blick auf das Wesentliche verlieren. Wir sind gefordert, der Komplexität mit konkretem Handeln zu begegnen und die notwendigen Weichenstellungen vor Ort umzusetzen. Auch wenn viele – auch hier unter uns – hoffen, dass der Kelch an uns vorübergeht: Er wird es nicht und wir können die Folgen der Klimakatastrophe nur noch abmildern.

Und genau an dieser Stelle sehen wir, dass es in Oelde kein konsequentes Engagement gibt, den Klimaschutz gesamtheitlich zu denken und seine Ziele – wie im aktuellen Klimaschutzkonzept formuliert – mit einem verbindlichen Fahrplan in allen relevanten Sektoren zu verankern.

Wir als Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen haben uns intensiv mit dem Haushaltsplanentwurf der Stadt Oelde auseinandergesetzt und erkennen nicht, dass Klimaschutzmaßnahmen in irgendeinem Bereich priorisiert wurden. So kann ich gleich zu Beginn das Fazit ziehen: Die Brisanz der Klimakrise ist nicht erkannt. Im Gegenteil: Die alten, auf ausschließlich quantitativem Wachstum ausgelegten Strukturen, werden weiterhin verfestigt. Mehr Gewerbegebiete, weitere Wohnbaugebiete im Außenbereich und unnötiger Straßenbau belegen diese Denkweisen und zeigen die aktuelle Prioritätensetzung: „Business as usual“. Eine Politik, welche die stetige großflächige Erweiterung von Gewerbeflächen als einzig gangbares Geschäftsmodell für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt sieht, erweist der Klimakrise einen Bärendienst.

Eine Richtungsänderung über kleinere Maßnahmen hinaus ist nicht erkennbar.

Daran ändert auch der im Haushaltsplanentwurf der Abschnitt „natürlicher Klimaschutz“ nichts. Den haben wir natürlich mit Interesse gelesen, nachdem die Bürgermeisterin im Zuge der letzten Haushaltsverabschiedung noch angekündigt hatte, dem Klimaschutz einen hohen Rang einzuräumen.

Wenn man hier allerdings lesen muss, dass die Planung des Neubaus einer neuen Kläranlage als natürliche Klimaschutzmaßnahme zu werten ist, ist dies aus unserer Sicht höchst abenteuerlich. Denn schon die geplante Dimensionierung der Kläranlage ist v.a. eine Konsequenz des „Oelder Geschäftsmodelles“ mit ständig wachsendem Flächenverbrauch, speziell im Gebiet der Aurea.

Auch dass sich die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen hier als Klimaschutzmaßnahmen wiederfinden, welche im Rahmen vorheriger massive Eingriffe in Natur und Landschaft v.a. durch Flächen-Neuversiegelung gesetzlich vorgeschriebenen sind, stimmt uns sehr kritisch hinsichtlich der Entschiedenheit bzgl. des Klimaschutzes in unserer Kommune.

Ebenso ist der Kreisverkehr Paulsburg ein gutes Beispiel dafür, wie man eine straßenbauliche Maßnahme, die unter strenger Anwendung des Klimavorbehalts -angesichts von vier Baumfällungen, zusätzlicher Versiegelung und hohem Materialeinsatz – nicht hätte realisiert werden dürfen, ins Gegenteil verkehrt und daraus eine Klimaschutzmaßnahme macht. Der Kreisverkehr trägt 0,0% zur CO2 Reduzierung bei.

Und ja, die Politik und Verwaltung steht privaten Erneuerbaren-Energie-Projekten nun nicht mehr im Wege. Mittlerweile hat sich ja auch herumgesprochen, dass man mit ihnen Geld verdienen und ggf. die Wertschöpfung vor Ort halten kann und man sich – zumindest bezogen auf den Strombedarf der Privathaushalte – dann rein rechnerisch klimaneutral nennen könnte – aber das ist ja wie gesagt nur ein minimaler Teil der Lösung des Gesamtproblems.

Auch bezüglich der jetzt schon schmerzhaft spürbaren Folgen der Klimakrise ist der sorgsame Umgang mit der Fläche der Schlüssel. In Hinblick auf die künftig zu erwartenden Regenereignisse und Überflutungen wird sich jeder zusätzliche Quadratmeter versiegelter Fläche wie ein Brandbeschleuniger auswirken – dies v.a. angesichts der Aussage, dass man mehr, als im baulichen Hochwasserschutz bisher getan wurde, nicht tun kann.

Auch innerhalb der bebauten Fläche, in den Wohngebieten und der Innenstadt, müssen die Themen Wasserzufluss, Versickerungsflächen und natürliche Beschattung einer jeden Planung vorangestellt und diese konsequent daran ausgerichtet werden. Das erhöht die Klimaresilienz unserer Stadt und zudem auch die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner.

Dazu gehört unbedingt auch, dass unsere Innenstadt nicht mehr vorzugsweise aus dem Blickwinkel des Autofahrers gestaltet wird – leider können wir diesbezüglich geplante Maßnahmen im Haushaltsplan nicht erkennen.

Apropos: Für die Verbesserung in Punkto Sicherheit und Priorisierung des Radverkehrs wird unseres Erachtens in Oelde immer noch zu wenig getan. Eine Erhöhung des vorgesehenen Betrages mit entsprechenden Vorschlägen wurde leider abgelehnt.

Die Frage, was wir uns in Zukunft noch leisten können und – v.a. angesichts der vor uns stehenden Zukunftsaufgaben – leisten wollen, scheint in diesem Haushalt nicht bearbeitet worden zu sein. Seit Ihrem Amtsantritt, Frau Bürgermeisterin, ist das Haushaltsvolumen im Eiltempo auf über 100 Millionen € gestiegen. Die Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute für 2024 lassen keinen Zweifel daran, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuern in 2024 ff keinesfalls höher ausfallen werden. Die Rechnung: „Mehr Gewerbegebiete bedeuten automatisch mehr Plus im städtischen Haushalt“ geht nicht auf. Dieses Geschäftsmodell stellen wir nicht nur aus den oben beschriebenen Gründen, sondern auch angesichts steigender Finanzierungs- und Erschließungskosten sowie auch folgender Infrastrukturkosten in Frage. Für all dies müssen Schulden gemacht werden, die nun auf 75 Mio € angestiegen sind, was grundsätzlich kritisch zu sehen ist. Und ja – Investitionen müssen sein, aber bitteschön nachhaltige und zukunftsfähige. Das sind die vorgesehenen Flächenankäufe in diesem Umfang nicht, weshalb wir beantragt haben, die Mittel hierfür zu halbieren. Eine „maximale Flexibilität und damit kostspielige Ankäufe in diesem Bereich führen nicht nur zu den oben benannten Folgen, sondern z.B. auch zu einer weiteren Verknappung und Verteuerung wertvoller landwirtschaftlicher Flächen.

Zur weiteren Frage nach den erforderlichen großvolumigen Sparmaßnahmen bei gleichzeitiger Prioritätensetzung, um den wirklichen Zukunftsaufgaben gerecht zu werden, können wir keine Ansätze erkennen. Unser Antrag, die Budgetierung in einigen Bereichen maßvoll zu senken, wurde abgelehnt.

Und wenn nun die Grundsteuern hochgesetzt werden sollen, begründen Sie dies, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, mit der notwendigen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an für sie umgesetzten Projekten, wie z.B. der Anschaffung eines Sportparcours, in einer zweifelsohne sehr hochwertigen Ausführung.

Aber – wo sind denn Ihre Sparvorschläge, wo findet überhaupt noch eine Aufgabenkritik statt?
Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Ein dreiviertel Millionen Euro teurer Kreisverkehr, soll mit zusätzlichen rund 350.000 € aufgehübscht werden und Wasserspielereien in der Herrenstraße kosten rund 200.000 € zusätzlich – diese Posten zu streichen wäre ja mal ein Zeichen gewesen.
Auch beim Stellenplan hätten sie definitiv auf die 0,65 zusätzliche Stelle für die Öffentlichkeitsarbeit im Ihrem Büro verzichten können. Wir fragen uns, für welche Standards oder „herausragende Projekte“ sind die Bürger*innen in Zukunft noch bereit, ihre Steuern zu bezahlen? Diese Frage sollte in dieser Runde im kommenden Jahr häufiger gestellt werden dürfen und müssen. Unsere Prioritäten habe ich oben beschrieben.

Vor diesem Hintergrund und nach intensiven Diskussionen und Beratungen haben wir uns daher entschlossen, dem Haushalt für 2024 nicht zuzustimmen. Im vergangenen Jahr lag unsere Zustimmung noch in der Hoffnung darin begründet, dass Sie, verehrte Frau Bürgermeisterin Ihren Worten auch Taten folgen lassen und dem Klimaschutzes einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen würden. Das ist leider nicht eingetreten.

Für uns werden auch im nächsten Jahr neben der Thematik des Klimaschutzes auch weitere Arbeitsschwerpunkte – v.a. im sozialen Bereich im Fokus stehen. Dazu gehört ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum, die Sorge für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen sowie die wichtigen Aufgaben rund um die Themen Jugendhilfe und Bildung.

Und die Nennung dieser wichtigen Arbeitsfelder bringen mich dann auch zum Abschluss: Lassen Sie mich dazu noch eine wichtige Bemerkung machen:

Natürlich gibt es Beschlüsse und Maßnahmen auch in diesem Haushalt, die uns sehr freuen. Hervorheben möchte ich hier den Beginn des Umbaus der Albert-Schweitzer-Schule, der nach einer langen Zeit des immer wieder Aufschiebens nun endlich angegangen und hoffentlich schnellstmöglich umgesetzt wird.

Sehr verehrte Damen und Herren, trotz aller Differenzen haben wir auch im vergangenen Jahr die konstruktive Zusammenarbeit mit ihnen geschätzt und würden uns freuen, wenn das auch im kommenden Jahr wieder gelingt – dafür stehen wir gerne zur Verfügung.

Ein besonderes Dankeschön möchte ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung übermitteln – ganz persönlich und im Namen meiner Fraktion.

Sie haben uns mit Ihrer Expertise und Kollegialität und stets wertschätzend in unserer Mandats- und Fraktionsarbeit unterstützt.

An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank!

Ich wünsche Ihnen allen Frohe Weihnachten und ein gesegnetes und friedvolles Neues Jahr

Vielen Dank

Barbara Köß / Fraktionsvorsitzende